Besseres Selbstwertgefühl – trotz schwieriger Mutterbeziehung

Last Updated on 1 Jahr by Coach Beate
Schaust du nur auf das, was fehlt in der Beziehung zu deiner Mutter – oder konzentrierst du dich auf das, was da ist? Erst als meine Mutter im Sterben lag, habe ich plötzlich ihre Größe sehen können, ihre Liebe und ihre Lebensleistung würdigen können.
Vor einem Jahr war ich auf dem Rückweg von einem Besuch bei meiner Mutter. Ein schöner, goldener Herbsttag. Der Kofferraum war voller Äpfel und Gemüse aus ihrem Garten. Ein paar arbeitsreiche Tage lagen hinter mir, 300 km Fahrt vor mir.
Besuche bei meiner Mutter strengten mich immer an, körperlich, aber mehr noch emotional. Wir waren uns zu ähnlich, wir waren zu dickköpfig und zu sehr verhaftet in unserer eigenen Befindlichkeit. Jetzt ist wieder Herbst und meine Mutter ist nicht mehr da. Gerne würde ich jetzt nochmal zu ihr fahren, mit ihr im Garten arbeiten, kochen, ihre Geschichten von früher hören.
Ich hatte Zeit meines Lebens das Gefühl, nicht gut genug zu sein
Denn ich war nicht die Tochter, die meine Mutter sich gewünscht hätte. Nicht das artige kleine Mädchen, das immer lieb ist. Ich hatte meinen eigenen Kopf, gab Widerworte, war zickig, wie sie es nannte.
Wenn du immer so ungezogen/zickig/frech (die Worte wechselten) bist, dann wirst du später keine Freunde finden, hörte ich immer wieder.
Und dennoch setzte sie sich für mich ein, ging zu Elternsprechtagen, erklärte einem Lehrer, vor dem ich Angst hatte, dass das so nicht ginge. In ihren Möglichkeiten tat sie das Beste, was sie tun konnte. Sie verfügte über eine große innewohnende Weisheit, die ich erst später nach und nach erkannte.
Meine Mutter war ein Kriegskind
Mit 15 Jahren verließ sie die DDR mit Hilfe einer Tante, die sie über die „Grüne Grenze“ brachte. Sie wollte mehr vom Leben, wollte auch aus einem Elternhaus weg, das wenig liebevoll war für sie als Sandwichkind.
Wie schwer muss es für meine Mutter gewesen sein:
- Allein in der Fremde
- In der Pubertät
- Mit sachsen-anhaltinischem Akzent im hochdeutschen Sprachraum
- Harte körperliche Arbeit auf einem Bauernhof
- Heimweh?
- Geldknappheit
Und dennoch hat sie sich durchgebissen. Sie hat ihr Leben in die Hand genommen, einen Ehemann gefunden, zwei Kinder in die Welt gesetzt, gemeinsam mit meinem Vater ein eigenes Haus erarbeitet, im wahrsten Sinne Stein auf Stein.
Die letzten 5 Jahre als Witwe hat sie bravourös gemeistert. Sie musste vieles neu lernen, sich plötzlich um Dinge kümmern, die mein Vater ihr vorher abgenommen hatte. So war das in der Generation. Auch das hat sie geschafft, wie so vieles scheinbar Unmögliches in ihrem Leben.
Meine Mutter hatte ein großes Herz
Sie zerstritt sich häufig mit Menschen in ihrem Umfeld, aber dann hat sie immer wieder den ersten Schritt zur Versöhnung gemacht.
All das konnte ich lange Zeit nicht sehen, wir waren zu sehr verstrickt in unseren Emotionen, die geprägt waren von mangelndem Selbstwertgefühl. Ich hatte immer das Gefühl, nicht zu genügen. Und auch meine Mutter kämpfte mit den Dämonen des Minderwertigkeitsgefühls.
Da sie wegen des Krieges und ihrer Flucht die Schule nicht abschließen konnte, war es ihr immer wichtig, dass ich eine gute Schulbildung bekam. Als ich mein Abi bestanden hatte, war sie sehr stolz auf mich. Meine Eltern legten sich beide krumm, damit mein Bruder und ich an Schulausflügen teilnehmen konnten oder wenn zusätzliche Ausgaben für die Schule anstanden. Irgendwie haben sie es immer geschafft. Dafür bewundere ich sie beide und bin dankbar.
Ich verließ nach dem Abi mein Elternhaus für meine Ausbildung – und war froh, endlich in die große weite Welt hinaus zu gehen. Ich entdeckte das Reisen, richtige Reisen, nicht nur zu den Verwandten in die DDR.
Meine Mutter und ich entfremdeten uns immer mehr
Mein Bruder warf mir vor, dass wir in verschiedenen Welten leben. Das ist wohl so, aber es gibt Schnittstellen. Keine der Welten ist besser, sie sind nur anders. Meine Welt ist die Welt der Möglichkeiten, ich habe die Welt bereist und im Ausland gelebt.
Mein Bruder lebt immer noch dort, wo wir aufgewachsen sind, ist dort verwurzelt, eingebunden in die Gemeinschaft. Mir war das immer zu eng, ich passte nie rein, war anders.
Erst als meine Mutter gezeichnet war vom Krebs habe ich sie in ihrer Essenz erkannt
Eines Tages besuchten mein Mann und ich sie in dem Pflegeheim, in dem sie lebte, ehe sie zum Sterben nach Hause kam. Mein Mann hätte sie nicht erkannt, so sehr war sie abgemagert. Sie stand mit einer nie vorher wahrgenommenen Grazie an ihrem Rollator neben ihrem Bett. Aufrecht, lächelnd, würdevoll.
Da sah ich meine Mutter zum ersten Mal in meinem Leben richtig in dem, was sie ausmachte. Ich erkannte ihre Seele. Und mich überkam ein Gefühl von nie vorher gekannter Liebe für sie, Dankbarkeit, und Anerkennung.
Ich fing an, ihr schöne Postkarten zu schicken, alle paar Tage mit einem Danke für… Und ich listete auf, was mir einfiel:
- Picknick im Wald in den Sommerferien
- Wunderbare Karnevalskostüme, die sie für mich genäht hatte
- Tolle Kindergeburtstage
- Dass sie immer zu den Elternsprechtagen ging
- Dass sie mir das Kochen und Backen beigebracht hat, usw.
Ich habe mich mit meiner Mutter ausgesprochen
Habe ihr erzählt, dass ich immer das Gefühl hatte, ich sei nicht gut genug. Sie war schockiert und antwortete, dass sie immer gesagt hätte, sie habe zwei sehr unterschiedliche Kinder, aber sie hätte sie gleich lieb.
Und dann konnte ich ihr zum ersten Mal sagen, dass ich sie lieb habe. Als sie antwortete, sie auch, erwiderte ich, dass wir uns das vielleicht nicht oft genug gesagt hätten. Ihre Antwort war: Aber wir haben es immer gewusst. Tränen auf beiden Seiten.
Sie war klar, sie stand für ihre Werte ein, Gerechtigkeit und Ehrlichkeit waren ihr sehr wichtig, auch die Liebe. Als ich sie einmal fragte, womit ich ihr eine große Freude machen könne meinte sie: ach, wenn ihr alle da seid, das ist Freude genug. Ich war selten da. Es war mir zu anstrengend.
Als sie todkrank war, bin ich häufig die 4 – 5 Stunden gefahren. Und am Ende habe ich erkannt: wir waren uns zu ähnlich.
Dass ich im Krankenhaus geboren wurde zu einer Zeit, als die Kinder von ihren Müttern getrennt wurden, mein Bruder dagegen zu Hause, nur mit Hilfe eine Hebamme, hat natürlich einen Unterschied gemacht in der Mutter-Kind-Bindung. Das weiß man heute.
Aber hier lag auch die große Chance unserer Heilung. Annäherung, Heilung des Traumas der Trennung. Erkennen und Anerkennen der gegenseitigen Größe.
Ich habe mein Ego überwunden
Meine Mutter hatte keine Energie mehr für Ego, da sie durch die Krankheit geschwächt war. Ich habe es überwunden, indem ich mich ausrichtete auf die Liebe und indem ich meinen Fokus änderte. Weg von dem, was mir fehlte, hin zu dem, was alles da war.
Heute vor 3 Monaten ist meine Mutter eingeschlafen, gezeichnet vom Krebs. Ihr Körper hat seine Funktionen wurden nach und nach eingestellt. Mein Bruder war bei ihrem letzten Atemzug anwesend, er wohnt direkt nebenan.
Sie ging heim eingehüllt in eine Wolke von Liebe und Fürsorge, und ich habe erst durch ihr Sterben wirklich zu ihr gefunden. Die Nähe, die wir durch das traumatische Getrennt sein nach meiner Geburt nicht gleich entwickeln konnten, haben wir dennoch durch ihre Krankheit gefunden. Und dafür bin ich dankbar.
Ändere deinen Fokus
Warum ich das hier teile? Damit du inspiriert und ermutigt wirst, dein Ego zu überwinden und in die Liebe zu gehen, wenn du eine schwierige Beziehung zu deiner Mutter hast.
Ändere deinen Fokus: weg von den Verletzungen und dem, was dir gefehlt hat, hin zu dem, was da war und ist. Erkenne an, dass sie nach ihren Möglichkeiten das Beste getan hat.
Die Kriegskindergeneration hatte es schwer, wir als Kriegsenkel, tragen es noch in unseren Genen, das ist heute bekannt aus der Epigenetik. Und genau in dem Wissen liegt deine Chance auf Heilung, wenn du es willst.
Für dein besseres Selbstwertgefühl, für mehr Selbstliebe
- Ändere deinen Fokus
- Überwinde dein Ego
- Geh in die Liebe