Aufschieberitis: Wie Du sie in den Griff bekommst

Last Updated on 1 Jahr by Coach Beate
Aufschieberitis – oder Prokrastination ist ein weit verbreitetes Phänomen. Was ist die Ursache? Nach meiner Beobachtung gibt es drei Gründe:
- Überforderung
- Angst
- Unkenntnis
Überforderung
Die tägliche to-do-Liste wird immer länger statt kürzer, die Stapel der ungelesenen Bücher immer höher, ständig flüstert die innere Stimme: „Du schaffst das nicht“. Das Gefühl, im Hamsterrad zu rennen, ohne entrinnen zu können. Wichtige Dinge werden so lange aufgeschoben bis sie so drängend werden, dass man wirklich dran gehen muss, da es sonst zu schlimmen Konsequenzen kommen kann. Beispiel: die jährliche Steuererklärung.
Eins der wirksamsten Mittel dagegen, die für mich funktioniert haben, ist das Prinzip der Mikroschritte. Kennengelernt habe ich sie in einem Zielcoaching bei Dr. Jens Tomas. Abgeleitet hat er es aus dem Buch „Getting Things Done“ von David Allen, kombiniert mit dem Zeigarnik-Effekt.
Bluma Zeigarnik, eine russische Psychologin, beobachtete im Berlin der zwanziger Jahre letzten Jahrhunderts, dass ein Kellner auch lange Bestellungen leicht im Kopf behalten konnte, ohne Notizen. Sobald die Rechnung bezahlt war, also der Fall für ihn abgeschlossen war, konnte er sich nicht mehr an die Bestellungen erinnern, z. B. im Falle einer späteren Reklamation. Dieses Phänomen untersuchte sie später, heute kennen wir es unter dem Namen Zeigarnik-Effekt.
Unser Unterbewusstsein behält alles Unerledigte im Arbeitsspeicher. Zu viele Dinge im Arbeitsspeicher haben den gleichen Effekt wie zu viele geöffnete Fenster auf dem Computer: er wird langsamer.
Mikroschritte
Was bedeutet dies nun für Deine Aufschieberitis? Fang einfach an! Stell Dir einen Timer auf 10 Minuten und arbeite konzentriert an den ersten Schritten. Beispiel Steuererklärung: fang an, die Belege zu sortieren. Nach 10 Minuten bist Du entweder so in Schwung, dass Du einfach weiter machst oder Dich der nächsten Aufgabe zuwenden kannst, z. B. den Schreibtisch aufzuräumen oder Deine to-Do-Liste neu zu schreiben.
Vorher ist eins noch wichtig:
Die losen Enden verknüpfen
Dabei werden gnadenlos alle, wirklich alle unerledigten Arbeiten aufgeschrieben, im beruflichen wie im privaten, all die Dinge, die auf der „Immerwährenden Liste“ stehen, all die „ich müsste mal, wenn ich Zeit hätte“. Dr. Thomas empfiehlt, sich dafür einmal 2 Stunden am Wochenende Zeit zu nehmen.
Eine Methode, die für mich besser funktioniert hat: nimm einen kleinen Spiralblock, der in die Hosentasche passt, und schreib im Laufe einer Woche alles auf, was Dir in den Sinn kommt, all die: „ich müsste mal“, oder „das müsste mal“, oder „wir müssten mal“. Damit kommt es aus dem Kopf raus, es entlastet Dich, und so ganz nebenbei, ohne großen Zeitaufwand, hast Du Deine Liste zusammen.
Ausmisten
Jetzt kommt der radikale Schritt: Ausmisten. Ausmisten ist sehr befreiend, in allen Bereichen.
Entweder Du entscheidest Dich, es NIE mehr anzugehen, oder Du delegierst es, oder Du legst fest, wann Du den ersten Schritt dafür machen willst und welche Mikroschritte Du nun täglich oder wöchentlich oder einmal im Monat dafür unternehmen willst. Mit anderen Worten, Du erstellst einen Plan, ein System, eine Struktur.
Streiche jetzt alles durch, was Du loslassen willst. Sei ganz ehrlich: was wirst Du bestimmt NIE mehr angehen? Die ungelesenen newsletter kannst Du getrost löschen, alles, was wichtig ist, kommt wieder zu Dir. Weg mit den alten Zeitschriften und ungelesenen Büchern.
Was kannst Du delegieren und an wen? Markiere all diese Punkte mit einem D. Dann nimm ein neues Blatt, schreib drüber: DELEGIEREN und liste alles auf, was Du nicht selbst erledigen kannst oder willst. Streiche diese Punkte von Deiner Ursprungsliste.
2-Minuten-Regel
Was von den verbleidenden Punkten kannst Du in 2 Minuten erledigen? Markiere sie mit einer 2. Wenn Du mir ähnlich bist, dann fällt Dir dies vielleicht schwer. Mein innerer Protest war: wie soll ich das abschätzen, was, wenn es länger dauert? Das sind nur Ausflüchte! Fang einfach an, trau Dich, Fehler sind erlaubt.
Liste all diese Punkte auf einem neuen Blatt mit der Überschrift: 2-Minuten-Projekte und streiche sie von Deiner Ursprungsliste.
Dr. Jens Tomas empfiehlt, Dir dafür ein Wochenende zu reservieren und alle abzuarbeiten. Mich hat das verschreckt, ich habe mir eine private 2-Minuten-Liste und eine geschäftliche 2-Minuten-Liste erstellt. Die private wird jedes Wochenende für 10 Minuten oder 5 Projekte angegangen. Funktioniert wunderbar.
Für die geschäftliche habe ich mir jeden Tag 10 Minuten reserviert, in denen ich sie erledigt habe. Gleich morgens, das gab mir einen richtigen Energie-Kick: schon wieder was erledigt!
Und plötzlich erkannte ich: hier habe ich eine Struktur, die mir hilft.
Struktur
Struktur ist etwas, das mir nicht so leicht fällt, ich bin eher unstrukturiert. Eine Checkliste zu erstellen fällt mir sehr schwer, aber wenn ich mit einer Checkliste arbeiten kann, dann hilft das enorm. Als ich Im Shanghai Leadership Toastmasters Club Vizepräsidentin Ausbildung war hatte ich eine Assistentin, die ausgesprochen strukturiert war, sie konnte alles in null-komma-nichts in eine Checkliste verwandeln.
Sie konnte komplexe Zusammenhänge vereinfachen und runter brechen in überschaubare Schritte, die zu unternehmen waren. Wir haben uns regelmäßig zusammengesetzt, ich erklärte ihr meine „wir müssten mal“ Ideen und sie baute sie um in Checklisten. Von ihr habe ich viel gelernt, heute fällt es mir leichter, die nötigen Strukturen für mich zu schaffen.
Strukturen sind wie Kochrezepte. Strukturen sind Systeme, die es dir erleichtertern, Deine Aufschieberitis in den Griff zu bekommen und Dinge anzugehen: Mach einfach den ersten Schritt. Das habe ich Anfang dieses Jahres deutlich wieder erfahren:
Nachdem ich mein kindle-Buch Selbstwertperlen veröffentlich hatte, bekam ich von einer lieben Klientin eine mehrseitige Auflistung mit all den Fehlern, die sie gefunden hatte. Ich gebe zu: ich habe es vor mir her geschoben, die Korrekturen anzugehen.
Dann habe ich die Auflistung als meine Checkliste betrachtet und mich 10 Minuten täglich daran gemacht, die Korrekturen einzuarbeiten. Die Kombination von System und Mikroschritten hat mich innerhalb kürzester Zeit ans Ziel gebracht.
Mikroschritte, Ausmisten, die losen Enden verknüpfen und eine Systematik erstellen haben mir geholfen, meine Aufschieberitis in den Griff zu bekommen.
Wie sind Deine Erfahrungen mit Aufschieberitis?
Welches Strategien haben Dir geholfen?
Hast Du bemerkt, wie sehr es Dein Selbstwertgefühl stärkt, wie Du mehr Selbstvertrauen gewinnst, wenn Du Dinge sofort erledigst?
Und wie es Dein Selbstwertgefühl schwächt, wenn Du Dinge vor Dir her schiebst?
Teile Deine Erfahrungen gerne auf meiner Facebook-Seite.
Das Thema Angst behandele ich in meinem nächsten Beitrag, Unkenntnis im übernächsten.